Bundessozialgericht

Verhandlung B 7/14 AS 1/21 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bedarfe für Unterkunft und Heizung - Betriebsstrom - Gastherme

Verhandlungstermin 18.05.2022 10:00 Uhr

Terminvorschau

S.G. ./. Jobcenter Wuppertal
Die Beteiligten streiten über höheres Alg II für Juli 2016 wegen der Aufwendungen für den Betriebsstrom einer Gastherme.

Die Klägerin lebte zusammen mit ihrem Sohn und ihrer zum damaligen Zeitpunkt 24-jährigen Tochter in einer im Juni 2016 bezogenen Mietwohnung. Der Sohn erhielt Leistungen nach dem BAföG sowie einen Zuschuss zu den ungedeckten Bedarfen für Unterkunft und Heizung. Die Tochter konnte ihren Bedarf durch eigenes Einkommen decken. Die Wohnung wurde mittels einer Gastherme beheizt. Über die Therme wurde auch Warmwasser erzeugt.  Die Vorauszahlungen für Gas beliefen sich auf monatlich 90 Euro. Für Strom zahlte die Klägerin einen monatlichen Abschlag iHv 110 Euro. Den Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Alg II von Mai bis Juli 2016 änderte das beklagte Jobcenter nach dem Umzug in die benannte Wohnung. Dem dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin gab der Beklagte zum Teil statt. Er erkannte die Vorauszahlungen für Gas als Bedarf für Heizung an. Den Betriebsstrom für die Gastherme berücksichtigte er mit 1,50 Euro im Monat.

Mit der Klage hiergegen hat die Klägerin die Zahlung weiterer 5,06 Euro für Juli 2016 im Zusammenhang mit dem Betriebsstrom der Gastherme geltend gemacht. Hiervon hat ihr das SG 3,80 Euro “als Heizkosten“ zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG auf die Berufung des Beklagten aufgehoben, die Klage abgewiesen sowie ihre Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand seien allein höhere Bedarfe für Unterkunft und Heizung, nicht hingegen ua Mehrbedarfe. Die mit den angefochtenen Bescheiden bis zum 31.7.2016 vorläufig bewilligten Leistungen gälten seit dem 31.7.2017 als endgültig festgesetzt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höhere endgültige Leistungen für Unterkunft und Heizung. Der Betriebsstrom für die Gastherme sei im Wege der Schätzung auf 5 % der Brennstoffkosten festzusetzen. Die von der Klägerin bevorzugte Ableitung der Aufwendungen für den Betriebsstrom aus den Stromkosten sei auch eine Schätzung, die gleichberechtigt neben der von ihm gewählten stehe. Letztere sei schon deshalb sachgerecht, weil die Brennstoffkosten die einzige Anknüpfungstatsache für das Verbrauchsverhalten der Klägerin seien.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und § 21 Abs 7 SGB II.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Düsseldorf - S 35 AS 4322/16, 29.10.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 12 AS 2055/18, 28.10.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 17/22.

Terminbericht

Die Klägerin war mit ihrem Revisionsbegehren erfolgreich. Der von ihr geltend gemachte weitere Betrag von 5,06 Euro bleibt auch zusammen mit den vom Beklagten zuerkannten 1,50 Euro (= 6,56 Euro) hinter dem ihr nach § 21 Abs 7 SGB II aF zustehenden pauschalierten Bedarf für dezentrale Warmwassererzeugung zurück. Im Gegensatz zur Auffassung des LSG folgt aus der Begründung der Klägerin, der Beklagte habe einen Ausgleich für die Aufwendungen durch den Verbrauch von Pump- und Zündstrom der Gastherme vorzunehmen, keine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Zu befinden war für den Senat auch nur über die abschließende Feststellung der vormals vorläufig bewilligten Leistungen. Die Vorläufigkeit der Bewilligung hat sich durch Zeitablauf erledigt; die Leistungen gelten zwischenzeitlich nach § 41a Abs 5 Satz 1 iVm § 80 Abs 2 Nr 1 SGB II als abschließend festgesetzt. Für den verfahrensgegenständlichen Monat Juli 2016, über den der Beklagte ursprünglich mit dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 7.3.2016 entschieden hat, ist der Anwendungsbereich des § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II in zeitlicher Hinsicht eröffnet.

Nach § 80 Abs 2 Nr 1 SGB II gilt für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 beendet waren, § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1.8.2016 beginnt. § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II ordnet an, dass, ergeht innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung, die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt gelten. Dass die Klage bereits gegen die vorläufige Bewilligung vom 28.6.2016 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 10.10.2016 erhoben worden ist, hindert den Eintritt der Fiktionswirkung nicht.

Die als abschließende Festsetzung geltende Bewilligung des Alg II aus dem Bescheid vom 28.6.2016 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 10.10.2016 bleibt Gegenstand des Verfahrens. Die im Verlauf des Klageverfahrens eintretende Änderung des Inhalts der angefochtenen Verwaltungsentscheidung wird Kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II bewirkt. Sie ergeht gerade nicht durch Verwaltungsakt. Durch den Eintritt der Fiktion erledigt sich der auf die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung beziehende Teil der Bewilligungsverfügung. Demgegenüber bleibt die Höhe des bewilligten Alg II unverändert. Diesbezüglich lässt § 39 Abs 2 SGB X ("solange und soweit") den (Teil-)erhalt der ursprünglich insgesamt angefochtenen Bewilligungsentscheidung zu.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 17/22.

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